Sonntag, 1. Dezember 2013

New Home: Scone

Es ist 6 Uhr morgens. Die ersten Sonnenstrahlen blitzen gerade hinter einem Hügel auf. Die Luft ist noch kalt, die langen braunen Grashalme mit Tau überzogen. Ein paar Meter weiter hat sich eine Gruppe Kakadus am Boden niedergelassen, bis auf ihr Gekrächze ist alles still. Plötzlich hüpfen drei Kängurus über die offene Grasfläche, die nur von ein paar einzelnen riesigen Eukalyptusbäumen durchbrochen wird. Unter einem dieser Bäume grast ein uralter Wombat, der mich nicht zu bemerken scheint. Die Bergkette vor mir scheint zu leuchten, so wird sie von der aufgehenden Sonne angestrahlt.
So oder so ähnlich lassen sich die Morgende hier bei meiner neuen Arbeitsstelle beschreiben, wenn ich mit dem Quad bei Sonnenaufgang zu einem der Paddocks fahre, um die Pferde zu füttern. Und jedes Mal lässt mich dieser Moment kurz innehalten. 
Meine neue Arbeitsstelle, das ist Andrew MacDonald Horse Training in Scone, New South Wales, "Horse Capital of Australia" (die Pferdehauptstadt Australiens).
Morgens um vier beginnt für mich der Tag, denn um fünf Uhr muss ich am Stall an der Rennstrecke hier in Scone sein, wo Andrew Rennpferde ausbildet, bevor sie zu ihren Trainern kommen. Dann geht es los mit Füttern, denn um halb 6 sitzt Andrew schon auf seinem ersten Pferd, im Moment sind es so um die zehn im Stall, die alle bis neun Uhr morgens bewegt werden müssen. Dann wird die Rennstrecke nämlich schon wieder langsam geschlossen, um sie für den nächsten Tag herzurichten. Während Andrew von Pferd zu Pferd wechselt, miste ich Boxen aus. Meistens so bis halb 7. Dann geht es nämlich für mich weiter. Denn zusätzlich zu dem Stall an der Rennstrecke hat Andrew noch eine Farm in Wingen, 20 Minuten entfernt, auf der die jungen Vollblüter eingeritten werden. Dort wartet schon Warren auf mich, der morgens schon alle gefüttert hat und zusammen machen wir uns dann auch hier ans Ställe ausmisten, was einen Großteil des Morgens einnimmt. Irgendwann im Laufe des Vormittags, nachdem er an der Rennstrecke fertig ist, kommt dann Andrew vorbei, um die "Breaker" (so nennt man hier die jungen Pferde) mit noch einer Bereiterin zu trainieren. Warren und ich erledigen noch alle möglichen anderen Arbeiten, die in einem Stall so anfallen und meistens sind wir so zwischen 12 und halb 1 fertig. Für uns geht es erst wieder um halb 4 weiter, und wenn man noch die Fahrtzeiten für mich von der Farm zurück nach Scone abzieht, dann habe ich immer mindestens zwei Stunden Mittagspause (bei meinem letzten Job war es eine halbe Stunde).
Achja, wie ich überhaupt von A nach B komme? Ich habe hier einen alten Ford Festiva zur freien Verfügung, also auch privat (das Spritgeld muss ich deshalb aber auch selbst bezahlen). 
Irgendwann kurz nach drei mache ich mich dann wieder auf in meinem kleinen Auto über den New England Highway nach Wingen, 98.1 PowerFM und die Klimaanlage voll aufgedreht. Da kann es auch schonmal passieren, dass man von der Polizei an den Straßenrand gelotst wird, weil (wie man nach der ersten Schrecksekunde realisiert) einem ein riesen Oversize-Roadtrain entgegenkommt, der beide Fahrspuren braucht, um eine Monstermaschine für Kohleabbau (große Industrie hier in der Region), die von drei (!!) Trucks gezogen wird, zu transportieren.
Auf der Farm läuft dann nicht mehr viel, eigentlich werden alle Pferde nur noch gefüttert und in den Boxen noch einmal kurz die Pferdeäpfel aufgelesen und so sind wir meistens nach spätestens zwei Stunden fertig (Redepausen mit eingerechnet).
So viel zu meinem Arbeitstag, der um einiges entspannter ist als beim letzten Job und auch mehr Spaß macht, da ich mit wirklich netten Leuten zusammen arbeite, allen voran mein Chef (nicht so wie beim letzten Mal), mit dem man auch mal scherzen kann.
Schön und gut soweit, doch wo wohne ich überhaupt, fragen sich vielleicht manche von euch. Ich habe eine Flat/Wohnung direkt in Scone, von Andrew gestellt, in der ich im Moment (leider) alleine wohne. Andrew wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in Wingen, nicht weit von der Farm, also ein gutes Stück weg von hier. Eigentlich sollte mit mir zusammen noch eine zweite Person hier leben, ein/e Bereiter/Bereiterin, die Andrew aber gerade noch sucht. Lizzie, seine Frau, hat mir dann aber mitgeteilt, dass, wenn sie erst mal niemanden finden, ich wahrscheinlich nach Weihnachten zu ihnen nach Wingen ziehen könnte. Denn für eine Person lohnt sich die Wohnung für sie nicht und der Mietvertrag läuft sowieso erst mal Ende Dezember aus. Das wäre natürlich ein Traum, auch von wegen Englisch lernen und so. Wenn ich nämlich eines gemerkt habe, dann ist das, dass es verdammt schwer ist einfach aus dem Haus zu gehen, vor allem da ich hier in Scone wirklich niemanden kenne/gekannt habe. Da hilft es auch nicht gerade, dass ich abends schon um 8 im Bett liege, um genug Schlaf zu kriegen, auch am Wochenende, da ich nur jeden zweiten Sonntag komplett frei habe. Soviel zum Thema Integration...
Andrew hat mich aber zu einem seiner "Touch-Footie" Spiele mitgenommen letztens. Das ist jeden Donnerstag hier auf dem Sportplatz in Scone und da spielen einfach jede Menge selbstgegründeter Mannschaften just-for-fun. Vielleicht kann ich in Andrews Mannschaft mitspielen, hab leider keine Ahnung von Touch-Footie, aber das lässt sich ja bestimmt ändern. 
Achja und ich habe mir eine Mitgliedskarte für die Bücherei zugelegt. Jetzt brauche ich nicht dauernd neue Bücher für mein Kindle kaufen und komme auch ab und zu mal in die Stadt.
Sonstige Freizeitaktivitäten: Reiten kann ich zwar bei der Arbeit nicht (auf die Rennpferde würde ich mich aber auch nicht draufsetzen), dafür hat Andrew privat eine Stockhorse-Stute die ich ab und zu reiten kann. Hat bis jetzt leider erst einmal geklappt, weil Andrew natürlich jetzt am Anfang noch mit ins Gelände gehen muss und er nicht immer Zeit hat, aber es ist ein Traum! Das Land ist wirklich gemacht zum Reiten, langgezogene Hügel hinaufgaloppieren, keine Wege, einfach durch das hohe Gras, ab und zu durch Viehgatter und Paddocks mit Rindern...Freiheit pur!
Bis vor kurzem war die Landschaft, wie auf den Fotos, die man so sieht. Hohes braunes Gras, alles ausgetrocknet und von der Sonne verbrannt, das einzig grüne waren die Eukalyptusbäume, doch vor zwei Wochen hat es das erste Mal richtig geschüttet und zwar zwei Tage lang. Und dabei hat es gewittert, ebenfalls zwei Tage lang, so ein Gewitter habe ich bei und daheim noch nie erlebt. In einer Nacht wurde wirklich jede Sekunde der Himmel von Blitzen erhellt, dazu noch ein unglaublicher Sturm.
Am nächsten Tag stand dann auch die Straße hier in Scone unter Wasser. Als ich zur Rennstrecke gefahren bin, wurden die Autos vor mir plötzlich immer langsamer, irgendwann sah ich dann Wasser aufspritzen und wirklich, alles geflutet auf der Straße. Der Boden war so trocken, dass er den ganzen Regen gar nicht aufnehmen konnte, die letzten drei Monate hatten sie hier nämlich nicht einmal zehn Millimeter Regen. Aber schon einen Tag später kam dann überall Grün hervorgeschossen und mittlerweile wächst wieder Gras überall. Das war aber auch überfällig.
Für die Australier ist ein grauer, düsterer Regentag, was für uns ein wunderschöner Sommertag ist. Die Welt ist wirklich nicht fair...
À propos Wetter, "Im Osten geht die Sonne auf - im Süden nimmt sie Mittagslauf - im Westen wird sie untergehn - im Norden ist sie nie zu sehn", das weiß doch jedes Kind. Denkste! Nicht hier in Australien. Hier steht sie nämlich über Mittag im Norden, wie ich letztens gemerkt habe. Was ja natürlich völlig logisch ist, wenn man bedenkt, dass ich auf der anderen Erdhalbkugel bin, aber trotzdem...dieses kleine Detail war wieder ein Moment, in dem ich kurz staunen musste, denn jedes Mal, wenn ich denke, ich kenne dieses Land langsam, entdecke ich wieder irgendetwas völlig Unerwartetes.
Naja, ich muss jetzt wieder zur Farm fahren. Wir haben gerade Sonntag-Nachmittag, 15 Uhr 10, und eigentlich sollte Warren arbeiten, aber er ist mit einem seiner eigenen Pferde auf einem Rennen und deshalb muss ich einspringen. 
Deshalb, see ya soon!


mein Schlafzimmer

mein Wohnzimmer mit Küche

diesmal ein wildes Känguru, Burning Mountain Nature Reserve (wenn man genau hinschaut entdeckt man einen kleinen Kopf, der aus dem Beutel schaut)

Burning Mountain

ein Echidna (Ameisenigel), ist bis auf einen Meter zu mir herangekommen

Aussicht ins Hunter Valley

abgebrannte Erde über unterirdischem Kohlefeld, das seit tausenden von Jahren brennt - Burning Mountain

Lake Glenbawn

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